Reiseberichte |
Interview mit Hind Sardi |
Hind Sardi,
marokkanische Tanzkünstlerin, lädt uns ein zum Tanz,
zum Dialog ohne Worte:„Tout le monde doit danser“-
egal, was die Menschen tanzen, ob es der orientalische Tanz
ist oder ein anderer, –Hauptsache, sie tanzen!
März/April 2007 – Essaouira, Marokko
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Hind Sardi, in den marokkanischen Medien die
„absolut Begnadete“ genannt, ist laut Dagmar Rummel
der „aufsteigende Stern am marokkanischen Bauchtanzhimmel“.
Hind hat Marokko bei verschiedenen Festivals in Ägypten
und Europa vertreten, wo sie nicht nur für die Einzigartigkeit
ihrer Choreografien, sondern auch für ihre hervorragende
Pädagogik geschätzt wurde. Darüber hinaus ist
sie ihre eigene Stilistin, entwirft Kostüme mit großer
Kreativität und verbindet dabei orientalische Elemente
mit denen einer typisch marokkanischen Haute Couture
Während des 4.Dahab Holiday Dance Festivals (vgl. Bericht)
habe ich mit Hind sprechen können.
Stolz ist sie. Sie hat etwas in Bewegung gebracht,
hat einen Ort geschaffen in Marokko, wo die Tanzkunst, der
professionelle orientalische Tanz zu Hause ist, unterrichtet
und präsentiert wird: die Charquistar-Academy in Casablanca.
Vor 4 Jahren hat Hind Sardi die erste marokkanische Schule
für orientalischen Tanz in Marokko eröffnet- gegen
allerlei Widerstände. „Es gab den Tanz der Frauen,
die sich einfach im Rhythmus der Melodien bewegten, und den
Animationstanz in den Hotels. Aber eine richtige Ausbildung
in klassischen und modernen Stilen, verlässliche Stundenpläne,
seriöse Vorstellungen…...all dies hat es vorher
nicht gegeben.“ |
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Schon früh
war sie vom Tanzen begeistert, bekam wie viele kleine Mädchen
klassischen Tanzunterricht. Die Begegnung mit dem orientalischen
Tanz passierte zufällig: als eine Gymnastikstunde an
ihrer Schule ausfiel, geriet sie in eine Stunde Orientalischen
Tanz…und fing sofort Feuer. 14 war sie damals und ab
dann nahm sie Unterricht bei dieser Lehrerin, besuchte Fortgeschrittenenkurse
im Ausland, entdeckte den akademischen orientalischen Tanz
mit all seinen Techniken, Bewegungen, seiner guten Musik.
Sie begann, hart an sich zu arbeiten und machte schließlich
ihre Leidenschaft zu ihrem Beruf. Unterdessen ist sie eine
Autorität, international wohlbekannt, als Künstlerin
im orientalischen Tanz und als Lehrerin, der es am Herzen
liegt, dass ihre (oft auch internationalen) Schülerinnen
nicht nur die Technik beherrschen, sondern ein Verständnis,
ein Gefühl bekommen für die arabische Welt und dies
in ihrem Tanz ausdrücken. Doch dazu später.
Was ist ihre Faszination für den orientalischen
Tanz? Zuerst kommt die Faszination für die Musik. „Ich
lebe die Musik, die ich tanze….Der orientalische Tanz
(ähnlich wie der Flamenco) interpretiert die Musik, drückt
die Gefühle aus, von denen die Lieder handeln….Liebe,
Kummer, Freundschaft, Trennung und Wiederfinden, all dies
fühle ich, bevor ich zu tanzen anfange. Die Tänze
sind ja nicht alle gleich. Eine gute Tänzerin lächelt
nur, wenn es sein muss, wenn es zum Text passt. Ich sehe oft
Tänzerinnen, die auf die Melodie tanzen- vielleicht ganz
dramatische Musik- aber sie lächeln…. Doch Tanzen
ist Interpretieren des Gehörten. Der Körper überbringt
die Botschaft. Wenn er sich ausdrücken will, tanzt er
– das ist eine überall verständliche Botschaft.
Der Tanz ist die stärkste Botschaft des Körpers“.
Und sie empfiehlt: „ Die Menschen müssen tanzen,
um ihre Gefühle sichtbar zu machen.“ |
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Ein weiterer Aspekt, der für
Hind ganz wichtig ist. „Tanz ist international, er ist
ein Pass für alle Länder….Man versteht sich
ohne Worte, alle werden gleich und solidarisch, offener für
die Welt des anderen….Der Tanz bringt die Menschen zusammen…..Man
ist auch ohne Worte im Dialog“. Und sie erzählt,
wie sie als Araberin letztes Jahr auf einem Festival einen israelischen
Tänzer getroffen hat und wie sie im Zusammensein ganz den
Krieg zwischen Arabern und Israelis vergessen konnten. „
Einer ist Jude, ein anderer Muslim, ein dritter Christ, ein
vierter Buddhist….wenn man beim Tanz ist, vergisst man
die Religionen und die Kriege. Deswegen sollten alle Menschen
tanzen, egal, welchen Tanz – Hauptsache, sie tanzen!“
Und so bejaht sie vehement meine Frage, ob sie ihre Kunst als
Teil des „Hanan-Dialogs“ zwischen den Frauen aus
Ost und West, dem Islam und anderen Religionen sieht. „Genau
so kann man es gut zusammenfassen.“ |
Was sind ihre Ziele
als Tanzlehrerin? Das Wesentlichste ist für Hind, dass
ihre Schülerinnen das Gefühl in den Tanz bekommen.
Die Technik des orientalischen Tanzes könne jeder lernen,
das sei eine Frage der Übung. Aber entscheidend seien das
musikalische Gehör und das Gefühl. “Für
uns Araber ist das nicht so ein Problem. Wir verstehen die Sprache
der Lieder, die Rhythmen, den Sinn. Aber für meine ausländischen
Schülerinnen bedeutet es viel Anstrengung, die Sänger,
die Rhythmen, die Musikstile kennen und differenzieren zu lernen.
Meine Schülerinnen – z.B. aus Frankreich, Italien
oder Deutschland – schreiben die Texte auf, interpretieren
sie in ihrer Sprache, lesen Interpretationen zum arabischen
Leben, schauen sich Filme zu alten und neuen Tanzstilen an und
hören viel, viel Musik. So kommen sie zu einem Verständnis
dessen, was sie tanzen.
Natürlich könne man auf so einem Festival wie diesem
nur eine Ahnung davon bekommen. Dies alles kennen zu lernen
sei ein langwieriger Prozess. „In ihrem Körper, ihrem
Kopf, ihrem Herz, ihrem musikalischen Gehör muss die Tänzerin
die arabische Welt präsent haben, damit sie sie in ihrem
Tanz ausdrücken kann.“ In
ihrer Schule unterrichtet sie Kinder ab 5 Jahren bis hin ins
Erwachsenenalter. Sie habe viele kleine Mädchen, die
den Kursen sehr ernsthaft folgten, und sie seien so reizend
und liebenswert in ihrem Tanz. Lebhaft erzählt Hind von
der wichtigen Bedeutung des Tanzes für die Entwicklung
von Körper, Kopf und Persönlichkeit. „Die
Gesten im Tanz helfen Kindern, sich im Raum zu orientieren
und sich auszudrücken. Kinder, die tanzen, achten auf
ihren Körper und ihre Gesundheit. Ein Kind mit Problemen
verschließt sich in sich und wird so vielleicht ein
bornierter, verschlossener Erwachsener und kein vollwertiges
Mitglied der Gesellschaft.
Tanzunterricht (wie auch Unterricht im Gesang und Theaterspielen)
lässt die Persönlichkeit der Kinder heranwachsen,
sodass sie sicher und selbstbewusst werden, gut in ihrer Haut,
gut im Kopf und gut im Kontakt mit anderen.“
2 Stunden pro Woche unterrichtet Hind unentgeltlich Kinder
aus Waisenhäusern. Gelegentlich lässt sie auch Clowns
für sie kommen oder andere Lehrer und Animateure, sodass
die Kinder einen schönen Tag verleben können, bevor
sie in ihre Einrichtungen zurückkehren.
Und am Jahresende gibt es jeweils eine große
Show, in der die Schülerinnen ihr erworbenes Können
präsentieren – und auch internationale TanzkünstlerInnen
auftreten. “Das ist immer ein großes Erlebnis
für alle“
Ihr soziales Engagement zeigt Hind auch dadurch,
dass sie sich oft an Wohltätigkeits-veranstaltungen –
z.B. für kranke Kinder - beteiligt. „Wir Künstler
– Sänger, Tänzer, Schriftsteller – lassen
uns nicht bezahlen. Aber wir sind die Magnete, damit die Leute
kommen. Und das viele Geld, das sie für so eine große
Abendveranstaltung bezahlen, geht dann an die Kinder“.
Ich frage Hind, was sie denn von ihrem persönlichen
Leben berichten möchte. Was sie erzählt, zeigt,
dass sich im Moment für sie alles um den Tanz dreht:
„Ich bin eine Person wie alle, die dank des Tanzes viele
schöne Dinge erlebt und wunderbare Begegnungen hat. Ich
treffe Menschen verschiedener Länder, verschiedener Mentalität,
verschiedener Kultur und das bereichert mein persönliches
Leben. Durch den Tanz kenne ich Personen, deren Leben durch
den Tanz komplett verändert wurde“ Und sie erzählt
von einer tumorkranken Frau, der nur noch eine kurze Lebenszeit
prophezeit worden war und die dann doch mit Hilfe des Tanzes
wieder gesund wurde, heute eine sehr gut Tänzerin sei,
eigene Shows mache etc.
Dass der orientalische Tanz das Leben von Menschen verändern
könne erklärt sie sich mit der Tiefe dieses Tanzes
„Der Geist wird ruhiger und klarer. Man interessiert
sich nicht mehr für die schlechten Dinge des Lebens,
versucht, sie auszuschalten….Man wird ausgeglichen.
Auch ich lebe ausgeglichen. Ich liebe nicht so sehr das Reisen.
Deshalb plane ich das ganz genau. Ein oder 2 Monate im Jahr
bin ich unterwegs und den Rest des Jahres bin ich zu Hause;
in meiner Schule, gebe Unterricht, bereite meine Shows vor………..Also
meine Arbeit ist eine Arbeit wie andere Arbeit auch –
mit etwas mehr „feeling“
Darauf angesprochen, dass es doch oft für
Tänzer nicht leicht sei, Privatleben mit Freunden, Partnern,
Kindern und Berufsleben zu vereinbaren, bestätigt sie:
„Ja, das ist ein Problem. Das muss man klar regeln.
Wenn ich einmal ein Kind haben möchte, werde ich eine
klare Pause einlegen, mindestens ein Jahr lang und dann wieder
in das Künstlerleben zurückkehren. Ohne Pause wird
man zerrissen zwischen den Polen und man wird schlecht in
seinem Tanz. Man braucht ein Gleichgewicht“.
Zum Abschluss des Gesprächs betont sie
noch einmal: „Alle Leute müssen tanzen, um besser
zu leben, die Männer, die Frauen, die Kinder, alle. Denn
je mehr man tanzt, umso klarer und offener ist man im Kopf
, im Geist, man wird toleranter, akzeptierender gegenüber
anderen Menschen, kommt leichter in Kontakt….und schafft
besser entwickelte Länder.
Donc: tout le monde doit danser ! «
Text und Fotos: Barbara Günther-Burghardt
www.fotokunst-guenther-burghardt.de
(Barbara Günther-Burghardt bietet für kleine Gruppen
von Tänzerinnen Fotosessions und Wochenendworkshops zur
Entdeckung der eigenen Austrahlung und Schönheit im Spiegel
der Fotografie an.)
Veröffentlicht im Januar 2008 in der
Zeitschrift "Halima" www.halima.de |
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